spanisches XXL

Wir frieren! Im Supermarkt, im Bus, in der Bar, sogar hier im Gebäude des Club Nautico de San Juan, in dem wir seit ein paar Tagen die Annehmlichkeiten eines Steges mit Wasser und Strom in Anspruch nehmen. Überall ist die Klimaanlage auf Frosttemperatur eingestellt, ich muss mir oft etwas auf den Sitz legen, um nicht morgen mal wieder eine Blasenentzündung zu haben und gehe wohlweislich schon mit Jacke einkaufen. Aussentemperatur ungefähr 28°, in der Sonne haben wir sicher 35°;). Wir liegen hier als fast einziges Segelboot zwischen all den vierstöckigen fein herausgeputzt- und polierten grossen weissen Fischerbooten, die uns mit ihren mindestens zehn Profiangelrouten an Bord ganz schön beeindrucken. Nach fünf Wochen autarkem Ankern sind wir mal wieder in einer Marina, na ja wohl eher im gut betuchten Fischerclub von Puerto Rico. Svea ist definitiv ein Langfahrerschiff – wir hatten immer genug Strom und mussten nur einmal, nach drei Wochen, unseren 350 Liter Wassertank auffüllen.

Wir cruisen nun mit unserem Stufenheck über die Insel – alles Autobahnen ohne vernünftige Ausschilderung. Ich auf dem Beifahrersitz mit Googlemaps in der Hand. So einige Male haben wir uns angemotzt. Der eine will da lang, der andere kennt einen besseren Weg. Angekommen sind wir trotzdem. Niemand blinkt, rechts wird genauso kamikaze überholt wie links und wir müssen so einigen tiefen Schlaglöchern oder Autoteilen auf der Bahn ausweichen. Dicke Autos überall, kein Wunder brauchen die alle Offroadfahrzeuge! Doch die ganzen V8 Motoren bleiben uns ein Rätsel – maximal 65 miles per hour (105km/h) das ist ja fast wie in Züri und Chrigi schlängelt sich geübt elegant durch den wahnsinnigen Verkehr, der sich von Fastfoodkette zu Fastfoodkette vorarbeitet. Vom ´delicious breakfast´ über die ´lunch combination´ bis hin zum ´eveningburger in der happyhour´. Essen aus dem Pappkarton 24 Stunden am Tag. Meine Güte, dieser Müll, der da produziert wird. Strassenzugweise BurgerKing, Tacomaker, Wendy´s, Starbucks, Tacobells, Churchs Chicken…. Die Liste könnten wir endlos weiterführen. Erreichbar nur per PKW, als Fussgänger begehen wir fast Selbstmord, wenn wir die dreispurigen Innenstadtstrassen überqueren wollen. Zum Glück gibt’s an ein paar Ecken in der Altstadt Empanadillas und Cortado. Wir haben eine wundervolle Familienbäckerei gefunden! Wie ins 19. Jahrhundert versetzt lassen wir uns von bordeaux uniformierten Kellnern unseren Café, wohlgemerkt aus dickwandigen Porzellantassen, bringen und schlemmen süsses und salziges spanisches Gebäck zum Mittag.

Wir haben nicht schlecht gestaunt wie die Spanier ihre Insel gegen Franzosen, Briten und Holländer verteidigt haben. Fortanlagen im alten San Juan an zwei Ecken, taktisch klug gelegen ist die gesamte Altstadt bis heute erhalten. Die ursprüngliche Bebauung ist zum grössten Teil wunderschön saniert und wir sind beeindruckt von der Farbigkeit der Fassaden. Doch viele Liegenschaften stehen leer und verlassen da. „Se vende oder se alquila“ hängt auch in den anderen Ortschaften wie Ponce oder Caguas, die wir angesehen haben, an den Fassaden. Schade… und nun ist die Insel also tatsächlich auch noch zahlungsunfähig, wie wir aus der Zeitung vernehmen. Wir steigen irgendwie nicht so ganz durch, ob der einheimische Puerto-Ricaner nun als stolzer Ex-Spanier oder als Neuamerikaner auf der Insel lebt. Alles spricht spanisch, alle sehen aus wie Spanier, alles ist spanisch, doch wir sind trotzdem in den USA und sie leben vollkommen amerikanisch. Obwohl die Insel kein offizieller Bundesstaat ist, der trotzdem Steuern zahlen darf, aber kein US-Präsidentenwahlrecht hat. Für uns recht verwirrend.

Uns zieht es dann auch mal wieder ins Inland. Wir wandern 400 Höhenmeter den als ´very difficult´ eingestuften El Yunque Trail hinauf auf einen der Berge Puerto Ricos. In Turnschuhen! Das zum Thema Schwierigkeitsstufe. Hindurch durch riesige Palmen und Farngewächse bis auf 1050 MüM. und wir freuen uns über die angenehme Kühle, das intensive Grün, die Stille, unterbrochen vom Vogelgezwitscher. Vielen anderen begegnen wir nicht – umso besser. Die anderen sind wohl zu den touristenfreundlichen mit dem Bus erreichbaren Highlights des einzigen Regenwalds der Insel unterwegs. Die Ausblicke auf die Inseln sind toll. Wir sehen die Spanish Virgin Islands, sogar unseren Ankerplatz vor der Isleta Marina an der Ostküste und schwelgen noch ein wenig in Erinnerungen vom Ankern in türkisblauen Gewässern.

 

 

 

 

3 Comment

  1. Lotti says: Antworten

    Es ist 0700h und ich lese mit Begeisterung im Bett Euren neuen Reisebericht. Es scheint, dass beim Betrachten der Bilder eine gewisse Wehmut durchsickert. Es ist sicher nicht leicht von der Karibik Abschied zu nehmen, aber Europa ist auch toll! Die Temperaturen hier sind noch gewoenungsbeduerftig. Ihr passt gut zu den farbigen Haeusern. Euere Bodies sind so schön braun, dass ich vor Neid zerplatze. Genießet weiter die tollen Tage und freut Euch auf die Bermudas. Ich warte schon mit Ungeduld auf die nächsten Bilder. Die Fotos sind großartig. Kuessli Lotti

    1. Nächster Blog ist schon online :) Kussi zurück!

  2. Anonymous says: Antworten

    Hallo Ihr Lieben Abenteurer!
    Danke für Eure wunderbaren Berichterstattungen!!! :-)
    Zufälliger Weise ist Jan-Philip mit seiner Freundin zurzeit in Eurer Nähe auf Jamaika (Negril). Ist die Welt doch klein??
    Weiter eine gute Reise mit schönen Erlebnissen und weiteren Berichten, auf die wir uns schon freuen!!
    Ganz liebe Grüße und gute Wünsche von ULLI & RICHARD :)

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