Meine Güte, so hoch werde ich wohl nie wieder in meinem Leben sein! Ich tuckere meine Crew wahrhaftig durchs schwedische Inland, dachte ernsthaft ich kann mich hier entspannen, aber im Göta Kanal wird auch gesegelt! Über den Roxensee haben sie mich gepeitscht. Bei bis zu 22 Knoten Amwind, so dass wir die anstrengende aufsteigende siebenstufige Schleusentreppe von Berg noch schaffen! Und ich sag Euch… dieses Hochschleusen ist irgendwie kein Spass auf die Dauer. Frauke muss mit Vor- und Heckleine am Steg kurz vorm Schleusentor rausgeschmissen werden und alle passen auf, dass ich meinen dicken Bauch nicht an den Steinwänden aufschlitze. Christian hat mich natürlich optimiert gefendert – es gab zum Glück noch zwei neue – aber muss mich immer von der fies harten Seite wegdrücken, dabei wiege ich sicher 8.5 Tonnen! In der Schleuse selbst ist es auf der hinteren Position, also nicht direkt vorm nächsten Schleusentor aber recht entspannt und mit der empfohlenen Leinenführung hüpft weder mein Bug noch mein Heck weg. Aber es ist laut, wenn das Wasser anfängt zu rauschen und alle um mich herum schreien sich an. …und wieder Motor an, in die nächste Schleusenkammer, Motor aus und dasselbe von vorn. So eine Einzel- oder Doppelschleuse ist ja mal ganz lustig, aber sieben hintereinander? Wir haben fast zwei Stunden dafür gebraucht und das bei nicht wirklich wenig Wind. Ich hatte zwar eine hübsche Rennziege namens J vor mir, deren norwegischen Eigner aber so gar nichts von Schleusen bzw. der Empfehlung verstanden haben und sie wurde mit Ihrer eleganten Steuerbordseite regelrecht in den Stein gerumst. Sie tat mir schon ein wenig Leid. Höhenangst sollte die Person, die an Land ist, um die Leinen zu fixieren nicht haben. Wie unser jüngstes Crewmitglied auf schweizerdeutsch zu sagen pflegt: Da gaht’s Loch ab!
Und rund um den vor 200 Jahren erbauten Kanal? Wie sieht`s da aus? Idylle pur. Ich fahre mit maximal fünf Knoten an Schafen und Kühen vorbei, an riesigen Bauernhöfen mit Feldern wie bei der Crew zu Hause, hohen altehrwürdigen Eichenalleen direkt am Wasser und schwedisch-roten Holzhäuschen mit Steg und Sitzecke neben meinem Cockpit. Aber auch an nicht so hübschen Camping-Stellplätzen, wo die weissen Dinger nüchtern mit dem Kühlergrill auf den Kanal blickend nebeneinander aufgereiht stehen und die Fahrer ihre Klappstühle fast neben der Schleusenwand aufklappen. Übernachten darf ich an kleinen Anlegern, meistens längsseits, zusammen mit anderen, die in die westliche oder östliche Ostsee müssen. Viel Verkehr ist hier am Ende der Saison nicht mehr und ich bin froh über ein bisschen Ruhe – zumindest am Abend. Ab 18 Uhr ist der Kanal für den Verkehr geschlossen.
Nun liege ich hier vor Anker auf dem Vikensee, auf fast hundert Meter über meiner gewohnten Meereshöhe, dem höchsten Punkt meiner Reise und geniesse die absolute Stille um mich herum. Hier ist gar nichts, ausser Wald bis ans Süsswasser, tatsächlich hier und da eine Schäre, aber kein Haus, kein Steg, nur Vogelgezwitscher und Luftblasen der Fische auf der spiegelglatten Wasseroberfläche. Ab jetzt geht’s abwärts und mich erwarten 20 Schleusen und wieder so einige Brücken, bis mich der Kanal in Sjötorp auf den Vänernsee ausspuckt. Der See soll elfmal so gross sein wie der Bodensee und ich vermute ich muss da wohl meine Segel wieder auspacken. Ahoi!