Wir haben keinen Wind. Oder irgendein Maximum von 5 Knoten aus allen möglichen Richtungen. Wie soll man denn da einen Rundtörn planen? Irgendwie Stress so eine Dreiwochenplanung und irgendwie sind hier alle um uns herum auch im Stress. Denn…
… Motorhebel unten auf 2400 Touren. Es wird in engen Passagen überholt wie nix Gutes. Alle fahren sich gegenseitig ins Heck. Bloß früh da sein. Platz im Hafen oder eine der raren Mooringbojen sichern. Von den Ankerbuchten ganz zu schweigen. Die sind bei dem Wetter schon morgens um 10 pickepackevoll. Morgens um 5 hört man das erste Getucker. Warum wir dann wach sind? Gute Frage, es ist hell. Ich strecke meinen Kopf aus der Luke. Da laufen doch tatsächlich welche aus und dazu nicht wenige?! Ein paar Seemeilen später am Tag treffen wir die Frühaufsteher im Cockpit sitzend und Tuborgdosen aufknackend wieder. Vom Schiff haben sie sich wohl nicht bewegt. Man trifft kaum einen der Segler im Städtchen oder auf einer Inselerkundung… Wir verstehen die Welt nicht mehr.
Noch dazu immer diese schicken Segeloutfits beim Auslaufen: Voll motiviert tragen sie Handschuhe zum Flautenschieben und ein bisschen Genua ausrollen gepaart mit schlecht sitzende Mustohosen und bunt verspiegelten Polarizedbrillen mit obligatorischen Sicherungsbändchen. Willkommen Svea, Du bist jetzt auch eine Ostseeseglerin!
Anstatt nun an der Ostküste Schwedens in die Schären zu segeln hatten wir den super Plan die Westschären Schwedens zu erkunden. Bei Null Wind ja irgendwie alles machbar – danke treuer Motor. Aber man glaubt es kaum – auf die Flaute folgt der Sturm. In den kommenden Tagen ist ein Tiefdruckgebiet mit über 35 Knoten West angesagt und wir entscheiden nicht nach Norden in die von Christian sehnlichst erwünschten so schön einsamen Steinküstengebiete weiterzufahren sondern nach Anholt abzubiegen. Wir müssen an den Rückweg denken! Ich glaub wir gehen wieder auf Langfahrt – das ist eindeutig entspannter.
Dafür kommen seine Kindheitserinnerungen von Anholt wieder hoch. Wie war das noch mit 12 Jahren und dem BMX über die Insel zu cruisen? Es ist wirklich ein Traum hier. Strand weiss. Hitze pur. Ostsee 24 Grad warm. Kein Wind. Hafen proppenvoll. Bucht voll. Doch läuft man ein bisschen abseits des Hafentrubels mit den vielen Softeisbuden und mit dem Geruch nach Geräuchertem in der Nase so ist man mutterseelenallein inmitten wundervoller gerade sehr sehr trockenen Wälder, gelben Felder und wohltuender Ruhe. Ich sag ja, die Segler bleiben alle an Bord!
Den Wind wettern wir in Aarhus nach zwei recht verrückten langen Amwindaufkreuzschlägen ab. Endlich mal zwei schöne Segeltage. Wir enden in der Aarhusbugt mitten in riesigen Regattafeldern. Christian greift beherzt zum Fernglas: Alles Olympiaklassen! Und schon foilt ein japanischer und ein brasilianischer Nacra17 unter Vollspeed vor uns durch. Wir befinden uns mit unseren 7 Knoten Geschwindigkeit mitten in den Wordsailing Ausscheidungen für Olympia 2020 und werden von diversen Motorbooten mal direkt zum Wenden gezwungen. Wir freuen uns, denn in Aarhus ist also was los. Wir liegen im Päckchen im rappelvollen Hafen und fühlen uns total wohl. Der Starkwind kommt, aber wir genießen Kunst und Kultur, Regattatreiben und Foodfestival.
Zurück geht es via Kleinem Belt in gemütlichen und doch irgendwie immer stressigen Schlägen, was das Platzsuchen angeht, wieder Richtung Süden und Heimathafen. Doch wir lassen uns die letzte Woche unseres Jahresurlaubs nicht mehr vermiesen, machen einen Abstecher in die Dänische Südsee zum Ankern und Baden und laufen wohlgemerkt bei ordentlich Wind in die Schlei ein. Tja, die nächsten Wochen bleibt wohl der Westwind…. wären wir mal dann in den Sveaurlaub gefahren!